Acht Lesungen

  mit Adelbert-von-Chamisso-Preisträgerinnen und -Preisträgern der Robert Bosch Stiftung



Fremd sein...
 

Marica Bodrozic
Einführung
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Professor Pröpstls Puppentheater, Samstag, 22. 01. 05

  
Marica Bodrozic
Yoko Tawada
Adel Karasholi
Zehra Çirak
Selim Özdogan
Vladimir Vertlib
Catalin D. Florescu
Francesco Micieli



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"Die Zukunft bestand aus drei Buchstaben"

Der Himmel ist Magie, sagt sie und guckt und guckt ihn sich
Aspach "Fremd sein . . .", heißt die Lesereihe, die in Professor
Pröpstls Puppentheater präsentiert wird. Acht Autoren, die in
verschiedenen Kulturen, mit verschiedenen Muttersprachen
aufgewachsen sind, aber in deutscher Sprache schreiben, lesen
aus ihren Werken. Den Auftakt bildete die aus Dalmatien
stammende Marica Bodrozic mit einem Ausschnitt aus ihrem
Roman "Der Spieler der inneren Stunde" und aus ihrem
preisgekrönten Erzählband "Tito ist tot."

Als Zehnjährige verließ die 1973 in Jugoslawien geborene
Autorin Marica Bodrozic ihre Heimat und siedelte nach
Deutschland über. In ihrem ersten Roman "Der Spieler der
inneren Stunde" beschreibt sie in bildhafter Sprache ihre
Erfahrungen. Der Roman ist autobiographisch, aber Bodrozic
weist darauf hin, dass Erinnerungen trügen können. "Viele
Dinge haben sich dem Schreiben gefügt."

Die Handlung beginnt mit dem Abschied von der Heimat. In
wenigen Tagen wird Jelena Felder mit ihren Eltern und
Geschwistern Dalmatien verlassen. "Aber welches Gedächtnis
hat der Abschied, welche Farbe, welchen Geruch?" formuliert
die Autorin. Das Gefühl von Abschied beinhaltet aber auch
Vorfreude auf das Neue, das Unbekannte. Jelena würde mit
dem Zug fahren.

Bisher hatten die Kinder geglaubt, Züge würden nur für Filme
gebaut. In ihrem Dorf gab es keinen Bahnhof. Bisher waren sie
immer mit dem Bus gefahren. "Die Zukunft bestand aus drei
Buchstaben: Z-U-G." Auf eindrucksvolle Weise gelingt es der
Autorin, Bilder ihrer Heimat zu vermitteln. Es ist vor allem das
Spiel mit der Sprache, das den Reiz des Romans ausmacht.
"Ich lasse mich von der Sprache tragen", drückt es Marica
Bodrozic aus. "Wenn ich schreibe, ist das Erleben." Ihren
Roman kann sie bei der Lesung leider nicht auf einem
Büchertisch präsentieren. Das Buch wurde noch nicht
ausgeliefert und erscheint erst im Februar im Handel.

Im Anschluss an ihren Roman liest die in Berlin lebende Autorin
"Der Lilienliebhaber" aus dem Erzählband "Tito ist tot", der
2002 im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Sie erhielt dafür den
Adelbert-von-Chamisso-Preis. Der Band ist ein Zyklus aus 24
Erzählungen.

"Der Lilienliebhaber", die erste Erzählung in dem Band, handelt
davon, wie Menschen sich verhalten, wenn ihnen Schönheit
begegnet, erläutert die Autorin. Aber es ist auch eine
Geschichte von Unverständnis und Missgunst.

Ein Lilienliebhaber züchtet in seinem Garten eine noch nie
gesehene Blumenpracht an Lilien. "Sie tanzten auf einer Bühne
ohne Horizont", beschreibt es die Autorin. Er spricht mit seinen
Blumen, nennt sie beim Namen, umgarnt sie und erntet bei den
Dorfbewohnern dafür nur Argwohn und Unverständnis. Als
"unheimlichen Zustand" empfinden sie sein Verhalten, als
"Lilienplage" die Blumenpracht. Als der Lilienliebhaber
bettlägerig wird, lassen die Dorfbewohner ihrem Hass freien
Lauf und "töten" die Lilien. Der Blumenliebhaber lebt noch viele
Jahre zurückgezogen in seinem Haus. "Man sagt, die Erinnerung
an die Lilien habe ihn am Leben gehalten."

Es ist die poetische Sprache, die die Zuhörer in Professor
Pröpstls Puppentheater in den Bann zieht. Marica Bodrozic
versteht es hervorragend, mit Worten umzugehen. In ihrer
Muttersprache Kroatisch schreibt sie nicht. "Mit der deutschen
Sprache bin ich ein lyrisches Wesen geworden", sagt sie. "In
der deutschen Sprache bin ich zu Hause."

Die nächste Lesung in Professor Pröpstls Puppentheater im
"Löwen" in Großaspach aus der Reihe "Fremd sein . . ." findet
am Samstag, 12. Februar, um 20 Uhr mit Yoko Tawada statt.

Backnanger Kreiszeitung vom 26.01.2005